Tobias Hagedorn (*1987 in Moers) studierte Kirchenmusik und Elektronische Komposition an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln und Komposition an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Er war Stipendiat der Mozartstiftung sowie Preisträger des „ad libitum Kompositionswettbewerb“ vom Netzwerk Neue Musik Baden-Württemberg und Preisträger beim internationalen Kompositionswettbewerb für Orgel und Tonband in Dudelange. 2022 erhält er durch die Kulturstiftung der Länder einen sechsmonatigen Stipendienaufenthalt in der „Cité Internationale des Arts in Paris“. Seine Musik wurde bereits im Deutschlandfunk und im WDR ausgestrahlt. Hagedorn unterrichtet an der HfMDK Frankfurt am Main, am Dr. Hoch’s Konservatorium und an der HfM Trossingen. Als nebenamtlicher Organist an der Kirche Herz Jesu in Frankfurt-Oberrad veranstaltet er die Konzertreihe mit zeitgenössischer Musik „HörBar“. Seine Musik bewegt sich zwischen Komposition und Programmierung digital beschreibbarer Prozesse. Er arbeitet dabei mit der Programmierumgebung „Pure Data“. Tobias Hagedorn was born in Moers in 1987. He studied church music and electronic composition at the Hochschule für Musik und Tanz in Cologne, as well as composition at the Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. He received a scholarship from the Mozart Foundation and was a prizewinner of the “ad libitum” composition competition of the Netzwerk Neue Musik Baden-Württemberg and of the composition competition for organ and tape in Dudelange. In 2022, he will receive a six-month scholarship from the Cultural Foundation of the German States to be spend at the Cité Internationale des Arts in Paris. His music has been broadcast on Deutschlandfunk and the WDR. Hagedorn teaches at the HfMDK in Frankfurt am Main, at Dr. Hoch’s Konservatorium and at the Hochschule für Musik Trossingen. As a part-time organist at the Herz Jesu Church in Frankfurt-Oberrad, he organises “HörBar”, a concert series with contemporary music. His own music is a combination of composition and the programming of digitally describable processes. He works with the programming environment “Pure Data”.
Präsenz (2024) Klanginstallation für MIDI-gesteuerte Orgel und 7 Kleinlautsprecher Aufnahme
fluid objects(2023) Klanginstallation für MIDI-gesteuerte Orgel mit regulierbarem Winddruck Aufnahme
Hikari (2023) für vier Lautsprecher Aufnahme
Earwashing (2023) für Zuspiel und Synthesizer Aufnahme
Wenig (2023) für Orgel solo Noten Aufnahme
Memories (2022) für Orgel und Elektronik Noten
Folgen (2021) für Orgel und Elektronik Noten Aufnahme
Weitergehen (2019) für Orgel und Elektronik Noten Aufnahme
Tangenten (2019) für Chor und Elektronik (ad libitum) Noten Aufnahme
Standpunkte (2018) für Orgel und Elektronik Noten Aufnahme
Linien (2018) für vier oder mehr Handyspieler Noten Aufnahme
Makrokreise (2018) für 4 Kanal Fixed Media Aufnahme
Stare (2017) Klanginstallation für MIDI-gesteuerte Orgel und 8 Kleinlautsprecher
Hintergrund (2017) für Horn, Harmonium, Klavier und Elektronik Aufnahme
Stehen und Gehen (2017) für Orgel und Elektronik Noten Aufnahme
Kreis (2017) für Klarinette, Horn, Cello, Elektronik und Video
Differenz (2016) Selbstgenerative Musik für 8 Kanal-Elektronik Aufnahme
Dreieck (2015) für Flöte, Cello und Elektronik
SpockenStielGlück (2015) für Glockenspiel und Elektronik Aufnahme
Sog (2015) für Ensemble
3-Bit (2013) für drei beliebige Musikinstrumente Noten Aufnahme I Aufnahme II
SpeakingSpeakers (2013) für vier portable Lautsprecher
0/1 (2013) für Elektronik und Video
Hikari ist nach dem gleichnamigen Synthesizer-Hersteller aus Japan benannt. Elektronische Musikinstrumente sind nicht so genormt, wie es bei akustischen Musikinstrumenten mit hundertjähriger Geschichte der Fall ist. Der Synthesizer „Monos“ von Hikari Instruments gibt mit seinen Möglichkeiten und Nicht-Möglichkeiten schon ein stark definiertes kompositorisches Grundmaterial vor. Eine vereinfachte Beschreibung wäre es zu sagen, dass sich der Synthesizer auf spezieller Weise zwischen Chaos und Ordnung bewegt. Gleichmäßige Pulse wechseln gelegentlich auf andere Tonhöhen. Beschleunigt man die Pulse, verwandelt sich der Rhythmus in eine geräuschhafte Klangfarbe. Inspiriert von diesem Synthesizer wurde dieses Prinzip auch digital nachprogrammiert und mit originalen Klängen des Synthesizers ergänzt. Im Kompositionsprozess wurden improvisierte Passagen mit algorithmisch ausgearbeiteten Rhythmen ineinander verschränkt. Dadurch ergibt sich eine Musik, die sich zwischen subjektiven und algorithmisch generierten Entscheidungen bewegt.
In Stehen und Gehen (2017) wirken lange harmonische Flächen im Hintergrund stark auf die Hörenden ein, während diese vordergründig in spielerischer Weise mit verschiedensten Klangfarben nachgezeichnet und angedeutet werden. Dabei wechseln sich immer wieder musikalische Stillstände, in denen man verweilt, zwischen allmählichen Veränderungen ab. Die Elektronischen Klänge betten dabei den Orgelklang häufig ein und lassen sich vom Orgelklang kaum unterscheiden. Grundtönige Flötenregister der Orgel werden mit reduziertem Winddruck mikrotonal verzerrt während synthetische Klänge mit langen Fade-In und Fade-Outs und extrem langsamen Glissandi an diesen Tonhöhen vorbei streifen. An anderer Stelle wird durch grafische Notation Raum für ein improvisatorisches Zusammenspiel zwischen Elektronik und Orgel frei gegeben.
Standpunkte (2018) setzt sich aus nur wenigen Grundmaterialien zusammen, die sich einander immer wieder neu ergänzen. Die gesamte Dramaturgie des Stückes ergibt sich also ausschließlich durch die variierenden Kombinationen dieser unterschiedlichen musikalischen Bausteine. Dabei handelt es sich um fünf Elemente. Die ersten drei Elemente werden auf den Manualen realisiert, die jeweils mit einem 2’-Register registriert sind. Die Manuale werden genau in drei Teile geteilt. Im obersten Teil werden handflächengroße Cluster gespielt. Mal sehr wild, und mal tenutoartig gehaltene Blöcke. Das zweite Element im mittleren Ambitus des Manuals bildet sich durch Dreiton-Cluster. Mal einen ganzen Takt lang gehalten und mal mit zwei bis drei Varianten innerhalb eines Taktes. Das dritte Element sind schnell umherspringende Einzeltöne, oder aber nur drei beliebige sehr kurze Töne im untersten Drittel des Manuals. Das vierte Element wird im Pedal realisiert und ist immer die Tonhöhe B. Mal schnell repetierend, oder nur wenige Einzeltöne innerhalb eines Taktes. Das fünfte Element ist das das gleiche für den linken Fuß auf dem Ton C. Für jedes Material gibt es im elektronischen Part ein Pendant, welches durch einen Algorithmus erzeugt wird. Die Taktlängen variieren ebenfalls nur zwischen zwei möglichen Dauern von drei oder fünf Sekunden.
Weitergehen (2019) ist ein einziger linearer musikalischer Prozess der sich in einem großen Crescendo äußert. Zu Beginn steht die Orgel im Vordergrund. Im Pedal werden durch tiefe benachbarte Halbtöne wummernde Interferenzen erzeugt, die wie ein Nachklang sehr leise in der Elektronik dauerhaft vorhanden bleiben. Verschiedene weitere Elemente wechseln sich ab oder überlappen sich gegenseitig. Sehr hohe Dreiton-Akkorde (2’-Fuß) repetieren und wandern ganz allmählich immer weiter abwärts. Dann taucht mit einer prägnanten 8’-Fuß-Zungen-Registrierung ein permutierendes Motiv auf. Als weiteres kontrastierendes Element tauchen immer wieder noch zwei wechselnde Akkorde auf, die durch die 2’-Fuß-Registrierung zwar in tiefer Lage gespielt werden, aber in einer gemäßigten Mittellage erklingen. Zwischen diesen Elementen tauchen immer wieder signalartige, sich wiederholende Töne in hoher Lage mit der 8’-Fuß-Zunge auf. Diese wandern bei jedem Auftreten immer wieder über den gesamten Verlauf des Stückes einen Halbton aufwärts. In der Elektronik werden Tonhöhen aus dem Orgelpart aufgenommen und miteinander moduliert. Bei diesen Frequenzmodulationen entstehen einerseits Zusammenhänge im Bezug auf die Tonhöhe, aber auch im Hinblick auf die Klangfarbe, da durch diese eine starke Verwandtschaft zum Klang von Zungenregistern entstehen kann. Insgesamt gewinnt die Elektronik im Verlauf des Stückes immer mehr an Dichte und Lautstärke und verschiebt ganz allmählich den Kontext, indem die Orgel erklingt.
Makrokreise (2018) ist ein vierkanaliges elektroakustisches Stück. Gesampletes Material wird in besonders langen Wiederholungen gespielt. Dabei verändern sich allmählich und kaum wahrnehmbar immer wieder einzelne Elemente. Rhythmen verlangsamen sich, unregelmäßige Bewegungen werden regelmäßig oder die Tonhöhen wandern in verschiedene Richtungen. Durch eine Quadrophonen Aufbau der Lautsprecher wird die Idee von Kreisen nicht nur auf einer zeitlichen Ebene durch Wiederholungen umgesetzt, sondern auch durch Kreisen durch den Raum.
Folgen (2020) bezieht sich mit seinem Titel auf die Aufgabenstellung für Orgel und Elektronik. Hier wird über einen vorgegebenen Notentext mit den Klangfarben, also den Registern und ggf. vorhandenen Spielhilfen an der Orgel, improvisiert. Die Elektronik wird währenddessen live durch mehrere Regler gesteuert. Diese beeinflussen ebenfalls lediglich die Klangfarbe, da die Tonhöhen live generiert werden, welche sich ausschließlich aus aufeinanderfolgenden Quinten in unterschiedlichen Oktavlagen zusammen setzen. Durch das Steuern von verschiedenen Parametern, soll dem Orgelklang so gefolgt werden, dass man die beiden Klangquellen möglichst nicht von einander unterscheiden kann.
Tobias Hagedorn
Komponist
An der Mannsfaust 8
60599 Frankfurt am Main
E-Mail: tobias.hagedorn[at]gmx.net